Erfahrungen aus Beratungsprojekten zum Regenwassermanagement

Das umweltbüro essen hat in den letzten Jahren zahlreiche Beratungsprojekte zum Regenwassermanagement im Siedlungsbestand durchgeführt. Für die in Essen in einzelnen Stadtteilen sowie mit den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden gemeinsam an Einzelobjekten durchgeführten Modellprojekte, wurde eine zusammenfassende Auswertung vorgelegt (Infos: Regenwasser-Management in Essen - Analyse der Modellprojekte und Leitbild für künftiges Handeln, Ansprechpartnerin: Frau Heckmann).

Einzelne allgemeine Schlussfolgerungen werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt.

Einfluss der Siedlungs- und Eigentumsstruktur auf die Mitwirkungsbereitschaft von Eigentümern

In Siedlungsgebieten mit überwiegendem Mietwohnungsbestand lässt sich das Thema bei den Eigentümern kaum platzieren. Da die Nebenkosten für die Entwässerung unmittelbar an die Mieter weitergegeben werden, entstehen für die Vermieter zwar Kosten für die Umsetzung der Maßnahmen, diesen stehen aber Einspar-ungen lediglich bei den Mietern gegenüber. Wenn durch die Senkung der Mietnebenkosten nicht ein mittel-barer Nutzen für die Eigentümer entsteht (etwa weil die Wohnungen leichter vermietet werden können), ist das Interesse außerordentlich gering. Insbesondere im hochverdichteten Stadtteil Holsterhausen, aber auch in den nördlichen Stadtteilen Altenessen und Katernberg konnte trotz zum Teil mehrfacher schriftlicher An-sprache nur in Ausnahmefällen Kontakt zu den Eigentümern von Mietgebäuden hergestellt werden. Wenige Erfolgsaussichten gibt es auch bei Gebäuden mit zahlreichen Teileigentümern, wie sie insbesondere in den städtisch geprägten Bereichen zu finden sind. Auch hier konnte trotz zum Teil erheblichem Beratungseinsatz nur selten eine Lösung gefunden werden, die allen zustimmungspflichtigen Teileigentümern zusagte. Gerade angesichts der sehr geringen Gebührenersparnis für den Einzelnen müssen die Umsetzungschancen daher als vergleichsweise gering angesehen werden. Erheblich besser sind die Aussichten bei Einzeleigentum wie die Erfahrungen in den von gehobener Einfamilienhausbebauung geprägten Stadtteilen Schönebeck und Haar-zopf belegen.

Klassische Gewerbeflächen waren im Rahmen der Essener Modellprojekte nicht betroffen.

Stellenwert der finanziellen Förderung für die Mitwirkungsbereitschaft von Eigentümern

Die finanzielle Förderung der Abkopplung stellt einen Anreiz dar, ohne den deutlich weniger Maßnahmen zur Umsetzung gekommen wären. Die Förderung deckt bei einer Fremdvergabe nur einen Teil der Kosten ab, eine Amortisation der Maßnahmen ist also i.d.R. erst mittel- bis langfristig gegeben. Dies hat bei einigen Teilnehmern zum Verzicht geführt. Von privaten Teilnehmern wurden Erwartungen auf einen Amortisations-zeitraum von maximal 2-3 Jahren als Voraussetzung für die Umsetzung von Maßnahmen genannt. In Einzel-fällen, wo im Zuge der Beratungen deutlich wurde, dass nur eine Entsiegelungsmaßnahme (z.B. Austausch eines wasserundurchlässigen Belages gegen einen wasserdurchlässigen im Bereich von Garagenzufahrten) in Frage kommt und nur bei einer möglichst schnellen Refinanzierung Aussicht auf Erfolg hat, wurden die Inte-ressenten an das Landes-Förderprogramm vom MUNLV (Initiative ökologische und nachhaltige Wasserwirt-schaft NRW) verwiesen, das für solche Fälle günstigere Förderbedingungen anbietet. Obwohl die Finanzier-ung als ein wichtiger Beitrag zum Erfolg der Projekte zu sehen ist, kann ein Mitnahmeeffekt nicht übersehen werden. Insbesondere die Planungen, innerhalb derer Flächenentsiegelungen vorgesehen waren, wurden durch das Förderprogramm zusätzlich bezuschusst, wären aber auch ohne Förderung umgesetzt worden.

Funktion der kostenlosen Beratung für die Gewinnung von Projektpartnern

Die Beratungsgespräche vor Ort stellen meist den Einstieg in die konkrete Planung von Maßnahmen dar und wurden nur durch die allgemeine öffentliche Diskussion des Themas und durch Pressearbeit und Hauswurf-sendungen vorbereitet.

Die Gesprächspartner kommen in der Regel mit einem allgemeinen Interesse am Thema, eine ausgereifte Vor-stellung zu den Möglichkeiten und technischen Anforderungen des Regenwassermanagements besteht je-doch nur selten. Die Beratungen vor Ort sind somit entscheidend, um aus dem allgemeinen Interesse um-setzbare Lösungen zu entwickeln. Ohne die - zum Teil mehrfachen - Beratungen vor Ort wäre nur der geringste Anteil der Umsetzungen erfolgt.

Gleichwohl muss die Bedeutung der Beratungen im Rückblick auf die Projekte relativiert werden. Ob sich aus einem bekundeten Interesse bzw. einer Beratung tatsächlich eine Umsetzung ergibt, ist, so legen die Erfahr-ungen bei mehreren hundert Beratungsgesprächen nahe, individuell verschieden. Insbesondere bei den Per-sonen, die bereits ein grundsätzliches Interesse am Umweltschutz zeigten, haben die Beratungen oftmals dazu geführt, dass sehr kurzfristig eine positive Entscheidung fiel. War das Interesse an finanziellen Einspar-ungen vorrangig, fielen deutlich seltener positive Entscheidungen. Darüber hinaus gilt ganz generell: eine positive Entscheidung fällt meist während bzw. kurz nach dem Beratungsgespräch, anderenfalls gar nicht. Denn auch nach aufwendigen Beratungsprozessen konnte eine skeptische bzw. vornehmlich auf die mögliche Ersparnisse ausgerichtete Ausgangshaltung nur selten in ein positives Ergebnis umgewandelt werden.

Gründe für den Verzicht auf die Umsetzung von Versickerungsmaßnahmen

Die Begründungen der Eigentümer, warum nach anfänglichem Interesse letztlich keine Umsetzung erfolgte, sind unabhängig von Eigentumsverhältnissen oder städtebaulichen Strukturen überall vergleichbar: Die sich aus finanziellen und bautechnischen Gesichtspunkten ergebende Favorisierung von offener Muldenversik-kerung trifft auf zum Teil vehemente Ablehnung. Der ökologisch wünschenswerte und in den Begründungen zum Förderprogramm auch immer wieder angesprochene Effekt, "Wasser wieder sichtbar" zu machen, wird häufig abgelehnt. Können keine dauerhaft betriebssicheren und kostengünstigen technischen Alternativen zur Muldenversickerung vorgeschlagen werden, wird von der Versickerung ganz Abstand genommen. Anders als bei baulichen Anlagen werden längere Amortisationszeiträume für Versickerungsanlagen selten akzep-tiert. Während für die kirchlichen Anlagen aufgrund der Größe der Abkopplung die Amortisation in der Regel in weniger als fünf Jahren erfolgt, danach also Gewinne gemacht werden, ist in den privaten Bereichen eine Amortisation in den Fällen, in denen die Ausführung vergeben wird, wenn überhaupt, nur langfristig möglich. Ästhetische Aspekte und Fragen der Nutzbarkeit stehen bei Gartenliebhabern und Menschen mit Kindern im Vordergrund. Versickerungsmulden kommen im landläufigen Gartenbild nicht vor. Eine Umgestaltung steht daher insbesondere in kleinen Gärten vor Akzeptanzproblemen, die sich verschärfen, wenn aufgrund der Bodenverhältnisse eine relativ große Muldenfläche notwendig wäre. Auch mit dem Verweis auf die relativ kurze Entleerungszeit lassen sich nur in Ausnahmefällen die Bedenken ausräumen.

Der Abschlußbericht enthält darüber kurz gefasste Vorschläge zu Konsequenzen aus den gewonnenen Erfahrungen: Diese Konsequenzen werden zu Teil in das neue Leitbild der Stadt Essen (Umweltamt) hinsichtlich der weiteren Förderung von Maßnahmen zum Regenwassermanagement einfließen.

Nr. 1

    Für die genaue Dimensionierung können nur Versickerungsversuche am geplanten Standort einer Versickerungsanlage sinnvolle Ergebnisse liefern. Die Auswertung der Bodenkarten oder die Übertragung von Ergebnissen benachbarter Flächen haben nur orientierenden Charakter.

Nr. 2

    Da Muldenversickerung im Bestand die beste - und in vielen Fällen einzig mögliche - Versickerungsart ist, muss Regenwassermanagement verstärkt als städtebauliches Themenfeld begriffen werden. Denn für Starkregenereignisse sind neben der dezentralen Versickerungsfläche oftmals auch Flächen für die Ableitung in semizentrale Anlagen notwendig.

Nr. 3

    Wenn Regenwasserversickerung auch im Neubau und in der Bauleitplanung ernsthaft als Planungsauf-gabe aufgegriffen werden soll, müssen an die diesbezüglichen hydrologischen Gutachten inhaltliche Anforderungen gestellt werden, die den Intentionen des Gesetzes folgen. Insbesondere müssen die verwendeten Untersuchungsverfahren danach ausgewählt werden, welche Versickerungsmethoden überhaupt in Betracht kommen. Da entsprechende verbindliche Regelwerke vorerst nicht zu erwarten sind, erscheint der Aufbau eines Begründungszwanges für die gutachterlichen Aussagen ein gangbarer Ansatz. Die Ergebnisse der Gutachten müssen innerhalb des städtebaulichen Kontextes hinterfragbar und somit der Abwägung zugänglich werden. Als Mindestanforderung ergeben sich daraus die folgenden Anforderungen: Benennung der Gültigkeitsgrenzen des gewählten Messverfahrens (die oftmals verwand-ten Sieb-Schlämmanalysen sind für schluffige Böden kaum geeignet); Angabe der Eignung des Messver-fahrens bezogen auf konkrete Versickerungsmethoden (sog. 'open-end-tests' in großer Tiefe liefern keine Ergebnisse für Mulden- oder Rigolenversickerung); Bei größeren Bauvorhaben ist die differenzierte Angabe zu den Möglichkeiten dezentraler Versickerung auf den Einzelgrundstücken und einer semi-zentralen Versickerung am Rande des Baugebietes erforderlich. Auf die entsprechenden Erläuterungen im ATV Arbeitsblatt A 138 kann an dieser Stelle nur verwiesen werden.

Nr. 4

    Gerade in eng bebauten Siedlungsgebieten sind dauerhaft betriebssichere Formen des Regenwasser-managements oftmals nur bei einer grundstücksübergreifenden Lösung realisierbar. Dabei sollte auch eine Notableitung in Richtung auf öffentliche Flächen (Grünflächen, Straße) möglich sein. Im Falle von Neubauvorhaben sind bereits frühzeitig die Möglichkeiten für semizentrale Ansätze zur Regenwasser-versickerung zu prüfen.

Nr. 5

    In etlichen Fällen können Versickerungsanlagen zwar gemäß ATV- A138 bemessen werden, doch wäre für die Anlagensicherheit im Falle größerer Regenereignisse ein Notüberlauf ins Kanalnetz notwendig, da sonst bei diesen Überlaufereignissen eine Gefährdung z.B. von Gebäuden eintreten würde. Aus diesem Grunde sollte die Abwasser-Satzung für Kombinationen, also Nachweis der Rückhaltung und Versickerung eines fünfjährigen Regenereignisses mit Notüberlauf ins Kanalnetz für größere Regenereig-nisse, geöffnet werden. Das dies trotz der Gefahr des Betruges möglich und umsetzbar ist, zeigen Bei-spiele in anderen Städten und Kommunen wie z.B. bei der Stadt Dortmund.

Nr. 6

    Kenntnisse zur Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes bleiben ein wichtiger Faktor bei der Anlage von Versickerungsanlagen. Trotz der geringen Resonanz bei den Modellprojekten erscheint es daher sinnvoll, Interessenten ein Angebot zur Durchführung von Versickerungsversuchen zu unterbreiten. Einfache Versuchsringe für normierte Infiltrationsversuche könnten z. B. an den Recyclinghöfen zum Ausleihen angeboten werden. Ergänzen ließe sich dies durch das Angebot, auf Basis gelieferter Ver-suchsergebnisse eine Auswertung vorzunehmen und die erforderliche Größe von beispielhaften Versik-kerungsanlagen zu ermitteln. Zumindest dem Kreis der Personen, die Anlagen im eigenen Garten selbst errichten wollen, würden damit bei minimalem Aufwand (eine Dimensionierung würde inklusive normier-tem Antwortschreiben nur eine kurze Bearbeitungszeit erfordern) möglicherweise entscheidende Daten geliefert.

Nr. 7

    Vergleichbar der vorgeschlagenen Serviceleistung bei der Auswertung von Versickerungsversuchen könnte auch hinsichtlich der Grundprinzipien beim Bau von Mulden und Rigolen sowie bei deren Unter-haltung eine Handreichung gerade für engagierte Heimwerker, die Anlagen in Eigenleistung realisieren, einen entscheidenden Anstoß geben.

Nr. 8

    Wenn realisierbar, sollte eine offene Zuleitung zur Versickerungsanlage vorgesehen werden, um auch die Versickerungsmulde flach halten und gut in die Umgebung integrieren zu können.

Nr. 9

    Bei anstehenden Dachsanierungen sollten grundsätzlich auch die Möglichkeiten des Regenwasser-managements geprüft werden. In diesem Bereich könnten sich zwischen Dachdecker- und Gartenbau-gewerbe fruchtbare Kooperationen entwickeln, wenn die Fortbildung in diesem Themenfeld für beide Gewerbezweige intensiviert wird.

Nr. 10

    Die im Rahmen der Förderprogramme erstellten Planungsskizzen stellen für kleinere Maßnahmen bei Ein- und Zweifamilienhäusern ausreichende Arbeitsgrundlagen dar.

    Bei größeren Projekten wie zum Beispiel bei Wohnungsbaugesellschaften ist zukünftig noch deutlicher darauf hinzuweisen, dass eine Ausführungsplanung zu erarbeiten ist, die auf einer aktuellen Höhen-aufnahme des zu überplanenden Geländes basiert. Zwar kann die Ausführung bei Beauftragung einer kompetenten Fachfirma auch auf der Grundlage von Prinzipskizzen gelingen, wenn die zuständigen Mitarbeiter der Firma über entsprechende Erfahrungen und das notwendige Verständnis verfügen, doch das ist leider nicht die Regel. Bei größeren Maßnahmen ist eine Bauleitung vor Ort erforderlich. Diese muss umso intensiver sein, wenn es sich um ein Unternehmen ohne entsprechende Erfahrungen bei der Herstellung von Versickerungsanlagen handelt